Freude Schenken

Zu den schönsten Erlebnissen im Jahr 2014 gehörte für meinen Mann und mich, dass wir auch das städtische Kinderheim in Liepaja mit Hilfe von Spendengeldern für die Glocken unterstützen konnten.Wir waren wie in den letzten Jahren im Frühjahr mit dem Sprinter des Johanniter Ordens, vollgepackt mit Hilfsgütern für das Altenheim, das staatliche Waisenheim, das städtische Kinderheim, die Sonderschule und die 15. Vidusskola (Eine Gesamtschule mit über 1000 Schülern, die auch behinderte Knder fördern).
Als wir die Leiterin des Kinderheims sprachen, wo Kinder aus zerrütteten Familienverhältnissen in Not aufgenommen werden, erfuhren wir, dass gerade großer Mangel an Schuhwerk für die Kinder und Jugendlichen herrschte. Bei über hundert Kindern war das ein Betrag, den wir leider nicht zurVerfügung  hatten. Aber für eine Mädchen Gruppe im Alter von 10 bis 12 Jahren reichte es auf jeden Fall. So verabredeten wir uns für den nächstenTag. Neun aufgeregte Mädchen mit zwei Erzieherinnen trafen wir vor dem ersten Schuhgeschäft, bevor es „gestürmt“ wurde. Es war anrührend zu beobachten, wie sich die Mädchen untereinander halfen mit den Größen, der Qualität, der Farbe( pink und Glitzersteine waren Favoriten). Ich hatte eine Grenze beim Preis ausgemacht, und sehr bescheiden wurde das Limit eingehalten, sogar oft unterschritten. Ein Mädchen fragte ausdrücklich, ob sie sich ein Paar Sportschuhe kaufen dürfte, die 1 € teurer waren. Das ging natürlich. Wer im ersten Geschäft nichts Passendes gefunden hatte, fand es in den beiden anderen. Es war eine große Aufregung und natürlich eine riesige Freude für alle, als jeder seine neue Schuhe gleich anbehalten konnte.
Wie schön, wenn eine gute Tat eine weitere hervorbringt. Anlässlich eines runden Geburtstags eines Johanniter Ritters sammelte er anstelle von Geschenken eine Spende für weitere neue Schuhe für die anderen Kinder im städtischen Kinderheim.

Innere Freiheit und wachsende äußere Freiheit

Auffallend war bei meinem ersten Besuch im staatlichen Waisenheim mit behinderten Kindern vor 24 Jahren, dass die Kinder liebevoll betreut und versorgt wurden, jedoch blieben sie in ihrer abgeschlossenen Welt des Heims. Die Leiterin erzählte uns aus der Vergangenheit.Sie hatte an einem Tag Dienst, an dem am Nachmittag ein schöner Film im Kino lief. Sie wollte Dienst und Freizeit miteinander verbinden und nahm einige ältere Heimkinder mit. An der Kinokasse wurde ihr  verweigert mit „diesen“ Jugendlichen den Kinderfilm anzusehen. In der damaligen Zeit lehnte die Gesellschaft Kinder mit Behinderungen in der Öffentlichkeit ab. Sie lebten ähnlich wie  die alten Menschen in abgelegenen Heimen in einer abgeschiedenen Welt.
Um auch schon den zwei und dreijährigen Kindern zu zeigen, wie die Welt außerhalb des hohen Holzzauns aussieht, ermöglichten die Posen-Westpreußische Genossenschaft des Johanniter Ordens, gemeinsam mit engagierten Damen aus Meckenheim -einen sechsitzigen Kinderwagen. Mehrere Jahre wurde der Wagen nur im Garten des Heims eingesetzt. Wie groß war die Freude, als ich vor drei Jahren einen Zeitungsartikel der Libauer Ausgabe von „Kurzemes Vards“ ( Das Kurländische Wort )erhielt. Auf einem Foto war der Kinderwagen mit sechs vergnügten kleinen Kindern zu sehen, die über den Markt geschoben wurden. Offenbar war diese Tatsache eine kurze Meldung wert. Es gibt inzwischen viele Beweise der Teilnahme von Menschen mit Behinderungen in der Öffentlichkeit.
Auch die sommerlichen Ausflüge an den Strand mit dem wunderbar feinen Sand gehören heute für die Kinder und Jugendlichen zur Normalität.

Die Welt kennenlernen

Besonders nach der Unabhängigkeit der Baltischen Republiken 1991 stellten sich für Pädagogen mehr und mehr die Fragen: „Wie sieht die Erziehung und der Umgang mit behinderten Kindern im übrigen Europa aus?“ Sinnvoll erschien es daher die Leiterin des Waisenheims, Frau Dr.Astra Jansone und den Direktor der ersten Schule für behinderte Kinder in Lettland aus der Hafenstadt Liepaja, Herrn Atis Brikmanis nach Deutschland einzuladen.Diese Einladung wurde gerne von unserer Familie ausgesprochen. Der Weg bis zu uns war jedoch noch sehr beschwerlich-mehr als 36 Stunden dauerte die Fahrt bis Köln – in klapprigen,  alten Bussen.
Das Entscheidende waren jedoch die vielfältigen Einblicke, zum Beispiel in Montessorie Pädagogik, wo die Selbstständigkeit der Kinder von klein auf unterstützt wird, unter dem Motto: “ Hilf mir, es selbst zu tun!“ Ebenso wertvoll waren für Atis Brikmanis die Anregungen, für Jugendliche Werkstätten einzurichten. Bis dahin unbekannte Bücher und Unterrichtsmaterial wurde gründlich studiert, dabei half natürlich sehr, die noch in sowjetischer Zeit erlernte deutsche Sprache.
Bei aller Verschiedenheit der äußeren Bedingungen für die Kinder in Deutschland und in Lettland war die tröstliche Feststellung der Kinderärztin Dr. Jansone: „Die Kinder mit Behinderungen sehen in beiden Ländern gleich aus, ob sie nun Janis oder Johannes heißen.“
Dem Waisenheim mit 120 behinderten Kindern vom Säuglingsalter bis zum 18. Lebensjahr konnten wir als erstes bei der Renovierung des maroden Daches mit Hilfe von Spenden durch die “ Glocken für Liepaja“ unterstützen.
Der Sonderschule von Atis Brikmanis wurden durch die Glockenspenden eine neue Duschanlage und die Einrichtung von einem Werkraum ermöglicht.

Kinder mit Behinderungen und Waisenkinder heute

Viererbuggy am Strand
Viererbuggy am Strand

Eine Erzieherin führt die Hand von einem Rollstuhlkind

Ein Junge legt seinen Namen mit einem Buchstabenpuzzle
Ein Junge legt seinen Namen mit einem Buchstabenpuzzle
Ein kleines Mädchenbaut einen Turm so hoch wie sie selbst groß ist
Ein kleines Mädchenbaut einen Turm so hoch wie sie selbst groß ist
Kleines Mädchen spielt zärtlich mit kleinen lustigen Figuren
Kleines Mädchen spielt zärtlich mit kleinen lustigen Figuren
Ein Junge übt das Zählen mit einem Zahlenturm
Ein Junge übt das Zählen mit einem Zahlenturm
Eine Erzieherin führt die Hand von einem Rollstuhlkind
Eine Erzieherin führt die Hand von einem Rollstuhlkind

Innenausstattung Sonder-Internat-Schule

An der Inneneinrichtung der Räumlichkeiten für die Kinder muss noch viel verändert werden. Zuerst stand für den Direktor Atis Brikmanis das Problem mit den 150 Fenstern im Vordergrund. Die waren alt und undicht geworden und liessen sich im Winter nicht mehr öffnen,- oder verquollen, wie sie waren nicht mehr schließen. Dank großzügiger Spenden der Software AG, Darmstadt mit Unterstützung des Johanniterordens, der „Darmstädter Initiative für Liepaja “ und einer Beteiligung der Stadt Liepaja konnten die Fenster erneuert werden.In dem ehemaligen Kindergartengebäude sind die jungen Menschen zum Glück von der Straße und von den bisherigen oft unbeheizten Behausungen in einem warmen Haus untergebracht, aber es fehlt noch an gemütlichen Betten, Decken und Bettzeug. Wie auf dem Bild zu erkennen ist, würde auch nach dem Einziehen von Zwischenwänden ein neuer Wandanstrich und Fußbodenbelag den Jugendlichen zu einem froheren Alltag verhelfen. Sie kommen aus einer verletzenden Umgebung, und empfinden dieses Internat als eine Insel der Geborgenheit. Die Lehrer haben nach der Fensterauswechslung aus eigner Initiative neue Vorhänge genäht. Jede gute Tat von Außen führt zu eigenen Anstrengungen im Rahmen der sehr begrenzten Möglichkeiten.

Die Schlafplätze in der Einrichtung für Behinderte
Die Schlafplätze in der Einrichtung für Behinderte
Eine Bewohnerin der Sonder-Internat-Schule.
Eine Bewohnerin der Sonder-Internat-Schule.

Duschen und Massageräume im Altersheim

Wer in das ausgediente Seemannsheim in der Garnibu Iela eintrat, den umfing nicht der Eindruck der großen weiten Welt. In dem dreigeschössigen Gebäude sind jetzt alte Menschen in einzelnen Zimmern untergebracht. Auch wenn die Leiterin, Frau Aina Upmale eine große Herzlichkeit ausströmt, wurde man die Bedrückung der Situation der älteren Menschen nicht los. Ganz besonders erschütternd und im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubend war die Duschanlage im unteren Stockwerk. Sie wurde täglich von vielen Heimbewohnern benutzt. Dank der Spender, die eine Lenin-Glocke gekauft hatten, konnten im Jahr 2003 endlich menschenwürdige und hygienische Duschen und sogar ein Behandlungs- und Massageraum eingerichtet werden. Die Freude und Dankbarkeit unter den Heimbewohnern war sehr groß, dass die Zeit mit den furchterregenden Duschen endlich vorbei war. Mit Stolz wurden die neuen Räumlichkeiten im Beisein von Presse und Stadtvertretern eingeweiht.

Der Zustand der Duschen vor der Sanierung.
Der Zustand der Duschen vor der Sanierung.
Die neu gebauten Duschanlagen im Altersheim.
Die neu gebauten Duschanlagen im Altersheim.
Die neuen Behandlungs- und Massageräume.
Die neuen Behandlungs- und Massageräume.
Frau Upmale (2.v.re.) und die Heimbewohner nehmen die Duschanlage in Anwesenheit von Frau v.Tiesenhausen (1.v.li.) dankbar entgegen.
Frau Upmale (2.v.re.) und die Heimbewohner nehmen die Duschanlage in Anwesenheit von Frau v.Tiesenhausen (1.v.li.) dankbar entgegen.

Duschen in der Sonder-Internat-Schule

Das Internat zu der Behindertenschule in Liepaja/Libau entstand aus der Notsituation einiger Schüler. Der Direktor Atis Brikmanis und seine Lehrer stellten vor rund 20 Jahren fest, dass ein großer Teil der Kinder keine geregelten Mahlzeiten bekamen. Sie lebten in unwürdigen Behausungen, oft ohne elektrisches Licht und Heizung. Auch im Winter. Bei der Stadt erkämpfte Atis Brikmanis Räumlichkeiten. Es wurde ihm ein ausgedientes Kindergartengebäude überlassen. Zunächst hatte er keine Betten. Einige erhielt er durch Spenden aus Deutschland. Nun standen Etagenbetten und ausgediente Schlafcouches, in denen zwei Kinder zusammen schliefen in großen Sälen zur Verfügung. Das mußte geändert werden. Die Schüler zwischen 10 und 17 Jahren hatten es nun wenigstens warm und ein gutes Essen war gesichert. Aber es gab keine Duschen, und die Toiletten waren für die Größe von Vierjährigen eingebaut worden. Der Direktor sorgte dafür, dass Zwischenwände in den großen Sälen für geregelten Schlaf sorgten. Von den Lenin-Glocken-Geldern konnte die erste neue Dusch- und Toilettenanlage eingerichtet werden. Die Zahl der aufgenommenen Kinder stieg. Zur Zeit leben mehr als 75 Schüler im Internat, meist aus dem früher von Russen besetzten Hafengebiet „Karoste“. Am Wochenende kehrt ein Teil der Schüler in ihre Familien zurück, damit sie den Kontakt nicht verlieren. Bei anderen ist dies wegen der zerrütteten Verhältnisse in den Familien nicht möglich.

Die neue Duschen in der Sonder-Internat-Schule.
Die neue Duschen in der Sonder-Internat-Schule.
Diese Dusche musste ersetzt werden
Diese Dusche musste ersetzt werden

Dach des Waisenheims für Kinder mit Behinderung

Wie geht es 180 behinderten Kindern, die auf Grund ihrer Behinderung oder aus sozialen Gründen in einem Waisenheim in Liepaja/Libau Lettland abgegeben werden? Zunächst einmal werden sie von der leitenden Kinderärztin, Frau Dr. Astra Jansone, gründlich untersucht. Auch die wenige Tage alten Säuglinge müssen eine Quarantänezeit durchlaufen. Sie werden beobachtet und auf ansteckende Infektionen hin behandelt. Später leben jeweils 12 Kinder in einer Gruppe zusammen. Sie waren die vergessenen Kinder der kommunistischen Gesellschaft, weil fest stand, dass sie nie zur Produktivität beitragen könnten. Sie wurden von pädagogisch unausgebildeten Pflegerinnen aufmerksam versorgt. Aber nur für das medizisch Notwendigste war Geld vorhanden. 1990 konnte schon über 10 Jahre keine neue Bettwäsche mehr gekauft werden. Die Säuglinge brauchten dringend Babyheilnahrung, um sie bei Durchfallerkrankungen retten zu können. Allmählich setzte sich auch der Gedanke durch, dass nicht zwölf Kinder mit der gleichen Behinderung in einer Gruppe zusammen aufwachsen sollten. Die Gruppen wurden gemischt, dadurch verbesserte sich die gegenseitigen Hilfe und Anregung der Kinder untereinander. Der Grundgedanke von Maria Montessori: „Hilf mir, es selbst zu tun!“ wurde in einigen Gruppen durch die in Deutschland ausgebildeten Fachkräfte verwirklicht.
Aber was hilft es, wenn sich im Inneren ein Wandel vollzieht, jedoch das noch von Deutschen vor 100 Jahren errichtete Waisenheim inzwischen ein undichtes Dach hat, und die Feuchtigkeit und Nässe allmählich zu den Kindern dringt? Zum Glück gab es die hilfsbereiten Käufer von Lenin-Glocken. Mit diesem Geld, damals insgesamt 10.000 DM konnte ein wichtiger Teil der Dacherneuerung begonnen werden. Denn ist erst einmal ein Beitrag geleistet, so findet sich häufig der Staat oder die Stadt dazu bereit, die finanzielle Verantwortung für die Fertigstellung zu übernehmen. So wurde 1998 das Dach komplett erneuert.

Ein Kind mit Betreuerin im Waisenheim in Libau
Ein Kind mit Betreuerin im Waisenheim in Libau
Zwei behinderte Kinder freuen sich über neues Spielzeug
Zwei behinderte Kinder freuen sich über neues Spielzeug
Das Waisenheim in Libau mit dem neuen Dach
Das Waisenheim in Libau mit dem neuen Dach
Ein kleines Mädchen lernt laufen
Ein kleines Mädchen lernt laufen